Im Walde mitten drinnen, an hoher Bergeswand sieht man ein Brünnlein rinnen, von jeher wohlbekannt. Es liegt auf steiler Höhe, wo laut das Echo hallt, stnad einst in großer Ehre das Brünnlein in dem Wald. |
Wir suchten es als Kinder im Frühling gerne auf, wir sangen frohe Lieder den schatt'gen Weg hinauf. Doch bei der frischen Quelle, da machten wir dann Halt, und Jubel frisch und helle, bald bis ins Dorf erschallt |
Und in den Maientagen, wenn lind die Lüfte wehn, da sah man mit Behagen zum Walde viele gehen. In früher Morgenstunde ging es hinauf zur Quell', bald kreiste in der Runde der Wasserbecher schnell. |
Bei großer Sommerschwüle, wenn Durst die Schnitter plagt, sucht auf des Waldes Kühle mit Eil' die ems'ge Magd. Und an der frischen Quelle, füllt sie behend den Krug, den sie dann flink und schnelle hin zu den Schatten trug. |
Lag jemand krank darnieder, vom Fieberdurst gequält, hat man zum Walde wieder alsbald den Weg gewählt. Man glaubt, das Fieber sinke, vergehe auf der Stell', wenn nur der Kranke trinke vom Wasser jener Quell'. |
Mir hat oft von der Quelle Großmutter viel erzählt, ihr war noch licht und helle, was sie als Kind gehört. Sie sprach: "Dort in dem Walde, wo hell die Quelle fließt, leb't eine liebe Alte, die längst verschollen ist." |
"Sie war im ganzen Tale, im weiten Kreis bekannt, es war die gute Ahne "Holzfräle" nur genannt. Stets ihren Leib umhüllte ein graues Florgewand, ein schwarzes Kreuzlein blinkte in der erhobnen Hand." |
"Ging oft ins Dorf herunter, verließ die Einsamkeit, und immer wirkte Wunder ihr Trost in schwerer Zeit. Sie blickte fromm nach oben, ihr Auge war verklärt, und ihre Stimm' erhoben, wenn sie das Volk belehrt." |
Mild sprach sie: "Darfst nicht zagen im herben Mißgeschick, Gott hilft das Leid ertragen, zu ihm wend deinen Blick. Doch hat dir Gott gegeben viel Freude und viel Glück, mußt du dich stets bestreben, daß er's nicht nimmt zurück." |
"Sollst deine Feinde lieben und ihnen gern verzeihn, den Nächsten nicht betrüben, sanft und versöhnlich sein. Und bist du reich an Gütern, so lindre fremde Not, gib Brot den armen Brüdern, befolg' des Herrn Gebot." |
"Sollst tätig sein und beten, erfülle deine Pflicht, den Tugendweg betreten, den Weg des Lasters nicht. Und naht dir das Ende von deiner Leidenszeit, dann bebe nicht und wende den Blick zur Ewigkeit." |
"Die Quelle in dem Walde hat auch die Ahn' geweiht, damit sie stets behalte die Kraft zu jeder Zeit. Ihr Wasser soll viel nützen, soll geben neuen Mut, es soll der Torheit schützen, erhitzen nicht das Blut." |
Jetzt ist die Ahn' verschollen wird längst nicht mehr gesehn. Tut sie den Menschen grollen, weil andere Weg sie gehn? Und ihre Lieblingsquelle an steiler Bergeswand, sie ist zwar noch zur Stelle, doch vielen unbekannt. |
Das Brünnlein in dem Walde fließt heut' noch klar und hell, doch suchen Jung' und Alte sich eine andere Quell'. Seitdem sein Ruhm verhallte, da trinkt man Bier und Wein, du Brünnlein in dem Walde, wirst bald vergessen sein! |